Am Verkehrsvolumen auf den
Strassen und and den sichtbaren Investitionen in
Autobahnbauwerke werden die verkehrspolitische Akzente des
Landes nur allzu deutlich, und die Bahn ist langfristig natürlich
die klare Verliererin. Der unter der Ära Meciar mit immensen
Staatsausgaben alimentierte Bau von Autobahnen und anderer
Grossprojekte wurde zwar nach 1998 erstmals zurechtgestutzt,
dennoch sind die Weichenstellungen unübersehbar.
Auf den wichtigsten Hauptstrecken wie der Ost-West
Transversale Kosice - Bratislava wickeln die Slowakischen
Eisenbahnen ŽSR aber dennoch ein recht beachtliches
Verkehrsvolumen ab. Für den Aufbau eines IC-Netzes auf diesen
Strecken beschaffte die neu für den Personenverkehr
zuständige Gesellschaft Železničná Spoločnosť
(ZSSK) moderne Fahrzeuge und liess durch die ŽSR
längere
Streckenabschnitte für 140 oder 160km/h herrichten, was bereits spürbare
Verbesserungen bei den Reisezeiten brachte.
Weniger gut sieht es dagegen bei den vielen Nebenstrecken des
Landes aus. Buslinien konkurrenzieren die Bahn, deren
Haltepunkte oft weit ausserhalb der Dörfer liegen. Die dünne
Besiedlungsdichte vieler Landesteile sorgt ohnehin kaum für
grosses Fahrgastaufkommen; häufig genügt eine alleinfahrende
'Brotbüchse' der Reihe 812 für den Gesamtverkehr.
Beim Güterverkehr lasssen die vielen verfallenen
Fabrikanlagen und rostigen Gleisanschlüsse erahnen, dass es
hier kaum besser aussieht. Zwar wird praktisch jede Strecke
noch mindestens durch einen täglich verkehrenden 'Manipulačný
vlak' (Nahgüterzug) bedient, der aber aufgrund fehlenden Bedarfs
oft auch ausfallen kann. Holzverlad ist vielfach das einzige,
was der Bahn noch bleibt. Hier ist es wohl bloss eine
Frage der Zeit, wie lange sich die ZSSK ihr ausgedehntes Netz
von Nebenbahnen noch leisten kann und will.
Bereits Ende 2003 hat man bei der damals noch als Staatsbahn
geführten ŽSR erstmals den Rotstift angesetzt eine grössere
Anzahl von Nebenlinien stillgelegt. Ebenso
wurde die Bahn dann wie andernorts in verschiedene
Unternehmensbereche aufgesplittet, um diese dann zur
Privatisierung auszuschreiben. So
hat die Regierung in Bratislava geplant, die Güterverkehrssparte
der ŽSR vollständig zu privatisieren. Der erhoffte Erlös aus dem Verkauf der soll dazu
beitragen, das staatliche Budgetdefizit unter die
magische Drei-Prozent-Marke der EU zu drücken..
In Čadca, (sprich: 'Tschadsa') dem ersten grösseren
Städchen gleich nach der Grenze, versuchen
wir naturgemäss erst mal den Bahnhof anzusteuern.
Dabei vermissen wir die vom
Nachbarland so vertrauten Wegweiser "Do nádraží"
(zum Bahnhof), und irren einige Zeit herum,
ehe wir über eine löchrige, etwas versteckte
Zufahrt einen nicht mehr ganz taufrischen Gebäudekomplex
sozialistischer Prägung vorfinden: Železnice
Stacja
Čadca. Dass dieser schon bessere Zeiten erlebt
hat, ist nicht zu übersehen, ansonsten hat sich aber
rein äusserlich erst mal erstaunlich wenig geändert
seit meinem letzen Besuch hier vor rund 15 Jahren.
Alle Züge halten in diesem wichtigen Grenzbahnhof,
natürlich auch die Schnell- und IC-Züge ins ferne
Prag und Krakau.
Parallel zu den Gleisen des
Personenverkehrs befindet sich der Güterbahnhof,
und praktisch sämtliche Gleise waren belegt, wie zu
den 'besten Zeiten' des Sozialismus. Selbst an diesem
Sonntagnachmittag im Herbst 2006
vergingen kaum zehn Minuten, ohne dass irgendwo eine
Zugbewegung stattfand.
Viele der schweren Güterzüge
waren mit den
mächtigen,
achtachsigen Doppelloks der Reihe 131 bespannt. Mit Thyristorsteuerung und 4480 kW
Leistung waren sie sicher der Stolz der Skoda-Ingenieure der frühen
achtziger Jahre.
Trotz diesem Kraftpaket benötigten
schwere Züge über den Pass nach Český Těšín herüber zusätzlich eine Schublok, wozu häufig 183er
herangezogen werden - eine Art tschechoslowakische 150er.
Wir
schleichen uns an der Lokleitung vorbei Richtung
Depot, um zu erkunden, was hier sonst noch so alles fährt
und rumsteht. Dabei merken wir sehr schnell, dass man
hier selbst auf Betriebsgelände völlig unbehelligt
bleibt und alles fotografieren kann, solange man sich
auch nur an die elementarsten Sicherheitsregeln hält.
Eben dies tun jedoch etliche der hier aussteigenden
Fahrgäste nicht und überqueren nach Verlassen des
Zuges schnurstracks sämtliche Gleise, obschon es natürlich
eine Unterführung gibt in diesem wichtigen Bahnhof.
Dem Auge des örtlichen Bahnhofvorstehers
entgeht dies natürlich nicht, und einige der unflätigen
Reisenden werden abgepasst und zur Rede gestellt. Mit
einigen Belehrungen ist es dann aber auch schon getan und
vergessen - ein häufiges Ritual, wie wir in den
kommenden Tagen noch feststellen konnten.
Eine Fussgängerbrücke am nördlichen
Bahnhofsende ermgöglichte, dieses Problem zu vermeiden und das
ganze Betriebsgeschehen optimal zu überblicken. Zwar
dominieren die eher langweiligen Skoda-Loks der Reihe 163 den
Personen- und die 131-Doppelloks den Güterverkehr; dennoch
gibt es viel interessantes zu sehen.
Im Gegensatz zur ČD sind hier in der Slowakei noch immer
einige der mächtigen Čmeliaks der Reihe 770/ 771
anzutreffen, etwa in Žilina, Čadca und Zvolen. Selbst die kleinen und grossen
'Hektoren' (720/ 721), welche
bei der ČD fast vollständig verschwunden sind, trifft
man hier noch häufig im Rangierdienst und mit
Übergaben.
Natürlich galt unsere Aufmerksamkeit auch den letzten alten 'Bobinas'
der Reihe 140, die 2006 und 07 noch täglich in zwei bis drei Umläufen eingesetzt
wurden, unter anderem mit einem Durchlauf bis ins polnische
Katowice, welcher allerdings seit Dezeber 2006 wieder Geschichte
ist.
Immerhin
werden die klassischen, kaum weniger interessanten,
sechsachsigen Loks der Reihe 183 noch recht häufig im Güterverkehr
eingesetzt - Lesen Sie mehr darüber in der
untenstehenden Galerie.
Nachtrag: Dieser Bericht war
kaum im Netz, als die vorweihnachtliche Hiobsbotschaft vom
kommenden Fahrplan 2006/07 der ZSSK die Kunde machte, die bei
den meisten Eisenbahnfreunden wohl mit Kopfschütteln
quittiert wurde: Trocken wird da unter "redukcia spojov"
(..Reduktion der Verbindungen) - eine ellenlange Liste zu
streichender Züge auf dem Bahnnetz der Slowakei agekündigt: Vlaky.net.
(23.11.2006) Hatten es die ZSSK in den vergangen Jahren fast
geschafft, wieder ein halbwegs freundliches Image aufzubauen,
folgte dieser Rückschlag.. Meine oben
geschilderterter Eindrücke erwiesen sich (leider) als nicht
ganz unrichtig..