Šumava II

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"Wir hatten jetzt, im Licht des schönsten Herbstmorgens, das weite Angeltal vor uns mit Dörfern, Kirchen, Schlössern und rechts am südwestlichen Horizont den Böhmerwald mit seinen kräftig aus den Tälern aufsteigenden dunkelwaldigen Hügeln, Höhen, Bergen, deren höchste Spitze der Osser und Arber bilden.."  (Josef Rank, 1816 - 1896, Erinnerungen an Klattau)

Auch 2006, fast eineinhalb Jahrhunderte nachdem Josef Rank diese Zeilen verfasst hatte, vermag der Böhmerwald Reisende und Besucher zu faszinierenAls wir an einem Apriltag 2006 bei bei Janowice nad Uhlavou (Janowitz an der Angel) auf den Triebwagen von Domažlice (Taus) warteten, lag auf den Höhen des Böhmerwaldes noch Schnee. Aber unten im Angeltal war längst der Frühling eingekehrt. Dann ein vertrautes, tiefes Brummen hinter der Hügelkuppe, ein Klacken der Schienenstösse auf dem unverschweissten Gleis, und langsam näherte sich der alte Triebwagen. Wie bestellt brach im passenden Moment die Sonne hinter den dichten Wolken hervor und beleuchtete den 831er und die Auenlandschaft im Tal. (30.04.2006)

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Der Böhmerwald (tschech.: Šumava) gilt als Juwel unter den Naturlandschaften Europas. Durch die Grenzlage am ehemaligen Eisernen Vorhang blieben grosse Teile dieses langgezogenen Gebirgszuges jahrzehntelang unberührt. Was für die Menschen oft Verlust der Heimat und grosses Leid bedeutete, war für die Natur eine ausgedehnte Erholungspause. Heute umschliessen Nationalparks die geschützten Bereiche des Böhmerwaldes an den Grenzen Österreichs, Bayerns und Tschechiens. Wälder, Seen und Moore beherrschen die Landschaft, in der Luchse, Wölfe und sogar vereinzelte Elche wieder ihre Heimat gefunden haben sollen.

Schier endlos breiten sich die Wälder der Šumava aus und geben oft nur kleinen, abgeschiedenen Ortschaften, Weilern und verlassenen Gehöften Raum. 

Herrliche, mittelalterlichhe Städte wie Cesky Krumlov und Prachatice zeigen dem Besucher, welche Bedeutung die Region einst hatte. Und Festungen und Burgen etwa bei Velhartice oder Rabí zeugen von der Stategischen Wichtigkeit der Sumava im Mittelalter, als hier Gold gefunden wurde; erst geschürft in Flüssen, später auch gefördert aus Stollen und Gruben.

Der eigentliche Reichtum des Böhmerwaldes war aber stets sein Holz. Bis in die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts nahm es in endlosen Flössen seinen Weg die Moldau hinab zur Elbe; auch Schindel- und Holzschuhmachern gab es Arbeit und Brot. Bis heute wird es in rauchenden Meilern zu Holzkohle verarbeitet.

"Meine ganze Seele hängt an dieser Gegend", schrieb Adalbert Stifter vor 150 Jahren. Er setzte dem Böhmerwald mit seinen Landschaftsbeschreibungen ein Denkmal, das alle Veränderungen des 20. Jahrhunderts überdauern sollte.

Mehrere Bahnstrecken berühren den Böhmerwald. Mir hatten es vor allem die Kursbuchstrecken 183 und 185 im nördlichen Teil des Gebirges bei Klattovy angetan, verkehrten doch auf diesen Linien die letzten "Šumava Střela" (sprich: "Schumava Schtschelá") - wie die Altbautriebwagen der Reihe 831 von den Tschechischen Eisenbahnern gerne genannt wurden. 

Das Mittelalterliche Städchen Cesky Krumlov (Krummau) liegt an einer Schleife der Moldau und wird auf der Liste der UNESCO-Weltkulturerben geführt.

Der Schriftsteller und Lyriker Rainer Maria Rilke schrieb 1895 über Cesky Krumlov: Wenn einmal ein Zufall, müssige Reiselust oder der Tod Ihrer verehrten Frau Erbtante Sie nach Südböhmen führt, lassen Sie es nicht verdriessen, einen Tag in dem malerisch gelegenen Städtchen Aufenthalt zu nehmen. (...)

 

Die CD-Strecke 183 Klatovy - Zelezna Ruda/ Bayerisch Eisenstein durchläuft den Böhmerwald von Ost nach West. Im Abschnitt zwischen Nyrsko und dem Scheiteltunnel bei Spicak steigt sie praktisch ununterbrochen mit 25 Promille an und kommt einer Gebirgsbahn in den Alpen gleich, wenn auch spektakuläre Brückenbauwerke weitgehend fehlen. Direkte Eilzüge ab Pilsen bringen Urlauber und Skigäste nach Spicak unweit der Grenze bei Bayerisch Eisenstein, während Triebwagen den bescheidenen Regionalverkehr bewältigen.
Die KBS 185 dagegen verläuft in Nord-Süd-Richtung. Bei Domazlize (Taus) an der Strecke nach Furth im Wald zweigt die Nebenbahn nach Klatovy und weiter nach Hoazd'ovice ab. Von der Senke Furth im Wald - Taus gelangt man sanften Ausläufern des Oberpfälzer Waldes entlang über eine kleine Wasserscheide, ehe die Strecke dann sanft Richtung Janovice und Klatovy im Angeltal abfällt.

Wie auf vielen anderen Nebenstrecken der CD sind auch hier  praktisch alle Bahnhöfe noch besetzt. Zwar wirken die langen Krezungsgleise für die hier normalerweise verkehrenden Triebwagen reichlich überdimensioniert. Wenn aber einmal eine Störung vorliegt auf den Hauptstrecken um Pilsen oder  Bauprogramme anstehen, erwacht die 185er aus ihrem Dornröschenschlaf. Schwere Umleitergüterzüge nach Domazlize - Furth im Wald kämpfen dann mit Brejloici- oder Transistor-Päärchen die Rampen hoch.

Besonders schön wird die Strecke 185 südlich von Klatovy. Über Besiny und Nemilkov bezwingt sie bei Malonice ein weiterer Höhenzug des Böhmerwaldes, ehe sie Hochmooren, kleinen Seen und Bächen entlang Susice (Schüttenhofen) zustrebt.

Das Städtchen wird noch heute von einer riesigen Streichholzfabrik dominiert - einst die grösste ganz Österreich-Ungarns. Die 1839 von Vojtech Scheinost gegründete Fabrik war die erste ihrer Art und lange prägten  "Sicherheits-Zündhölzer" der Marke "SOLO" aus Schüttenhofen die Märkte in ganz Europa und Übersee. Dass der Absatz in den letzten Jahren nachgelassen hat, wird beim Besuch von Susice jedoch nur allzu deutlich. Der tägliche Nahgüterzug von Horazd'ovice bringt zwar ab und zu noch ein paar Wagen für das Werk, grosse Teile davon wirken aber verfallen und ungenutzt. 

Dennoch ist die Holzwirtschaft bis heute eine wichtige Einkommensquelle für die Region geblieben, wie die grossen Mengen Langholz erkennen lassen, welche hier verladen werden.

Weiter talwärts folgt die Bahn dem Flüsschen Otava, das der tschechische Lyriker W. Heyduk einst als "gold- und perlen- tragenden Wottawa" besungen hat. Angeblich soll die Wottawa bis heute noch heute ganz respektable Perlmuschelbestände besitzen. 

Während Jahrhunderten versuchten hier Goldwäscher ihr Glück. Mit dem Gold hängt auch die Entstehung der grossen Burg Obrí Hrad (Riesenschloss) und der Burg Rabí zusammen, welche eine der mächtigsten Burganlagen in ganz Böhmen ist.

Idyllisch gelegenes Gasthaus im Böhmerwald bei Hamry-Hojsova Straz. (Hammern - Eisenstrass) . Die zugehörige Station der KBS 183 liegt weit oberhalb im Wald.

Dunkle Wälder und fast unberührte Landschaften passiert die Strecke 183 zwischen Sušice und Běšiny.

An den Bächen der Šumava wurde bereits 2000 v.Chr. Gold gewaschen. Von der Bronzezeit bis ins Mittelalter und die Renaissance wurde es abgebaut. Im der Blütezeit zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert arbeiteten zwischen 600 und 1200 Bergmänner in dutzenden von Goldminen des Städchens Bergreichenstein; anschliessend wurde das goldhaltige Quarz in ca. 300 Mühlen zerkleinert. Böhmisches und bayerisches Gold war Grundstoff für kostbare Reliquien, die dann in Regensburg und dem "Goldenen Prag" verkauft wurden.

Die KBS 185 Horazd'ovice -  Klatovy - Domazlice führt im Streckenverlauf zwischen Sušice und Běšiny durch die typischen Wald- und Moorlandschaften des Böhmerwaldes. Bei Malonice hatte der alte Triebwagen soeben den höchsten Punkt der Strecke  erreicht und rauschte nun talwärts seinem nächten Halt Nemilkov entgegen. 17.10.2005.

Später verringerte sich der Ertrag der Gruben. Trotzdem lagern dort Schätzungen zufolge noch immer gegen 30 Tonnen Gold, deren Abbau an die 400 Mio. Dollar einbringen könnte. In den neunziger Jahren bekundete eine kanadische Firma Interesse an der Erschliessung dieser Vorkommen, stiess jedoch mit ihren Plänen auf heftigen Widerstand der örtlichen Bevölkerung. Mit der Bürgerinitiative "Šumava nad zlato" - "Die Šumava ist mehr als Gold!" konnte die Goldgewinnung erfolgreich verhindert werden. Im Laufe weniger Jahre wären etliche Täler mit kontaminierten Abraum verfüllt worden und die auf Cyanidlaugung basierende Goldgewinnung hätte die Landschaft unwiderruflich zerstört.

Wenige Kilometer unterhalb
Sušice öffnet sich das Tal, und über Zichovice wird Horazd'ovice erreicht, wo Anschluss an die Hauptbahn Pilsen - Ceske Budejovice besteht.

(c) Markus Fischer, Zürich