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Parní lokomotivy rada 464 a 475
Dampflokomotiven der Baureihen 464 und 475

 

Die 464.202 war die letzte von Škoda gebaute Personenzugdampflok. Für ein Serienbau kam sie leider bereits zu spät - 1955 war die Traktionsumstellung bei der ČSD so gut wie beschlossene Sache. Bei Brantice an der Strecke Krnov - Olomouc passiert sie am 07.10.2006 diese seltene Kombination aus Reichsbahn- und K.u.K - Signalen.

 

Die ČSD-Dampflokomotiven der Baureihen 464 und 475

Als Mitte 1945 ein Grossteil der Lokfabriken Europas zerstört in Schutt und Asche lagen, begann man bei Škoda in Pilsen bereits mit einem Neubauprogramm für Dampflokomotiven. Diese Lokomotiven sollten später als einige der modernsten und innovativsten der Nachkriegszeit in die Geschichte eingehen. In Anbetracht der sicher nicht einfachen Rahmenbedingungen im kommunistischen Osteuropa der vierziger und fünfziger Jahre eine umso bemerkenswertere Leistung.

Skoda und ČKD hatten seit 1920 sämtliche Lokomotivbaureihen für die neu gegründete ČSD entwickelt und ein beachtliches Know-how zum Bau von Dampflokomotiven angeeignet. Trotzdem waren sie nie abgeneigt, auch von anderen Neues dazuzulernen. So machten sie sich die während des Krieges mit dem Bau  deutscher Kriegslokomotiven gewonnenen Erkenntnisse später zu Nutze. Dies betraf vor allem der grosse Anteil geschweisster Komponenten der Reihe 52, die bedingt durch die Rahmenbedingungen der Kriegswirtschaft und in Anbetracht einer bloss kurzen Nutzungsdauer der Kriegsloks gewählt worden waren, sich später aber als äusserst robust und langlebig herausstellten. So gelangten etliche konstruktive Neuerungen zum Durchbruch, die unter normalen Umständen wohl erst Jahre später, wenn überhaupt, eingeführt worden wären.

Eine glückliche Fügung war auch die unmittelbar nach dem Krieg begonnene, intensive Zusammenarbeit von tschechischen mit französischen Ingenieuren um André Chapelon, auch wenn dies mit der kommunistischen Machtergreifung 1948 bereits wieder ein Ende fand. So waren die 'Kylchap' Sauganlage und der mechanische Stokker von Stein & Rouibaix in Paris wichtige Neuerungen für Hochleistungslokomotiven, die mit Kohle niederwertigen Brennwerts betrieben werden mussten, ein Problem, mit welchem die Französischen Staatsbahnen ebenso konfrontiert waren wie die Tschechischen, da sie beide keine hochwertige Steinkohle im eigenen Land besassen. 

 

Die ab 4947 gebauten ČSD Dampflokomotiven der Reihe 475 gehören zu den modernsten und formschönsten im Europa der Nachkriegsjahre. Gegenüber den Vorkriegslokomotiven stellten sie praktisch einen technischen Quantensprung dar.

Das Bild entstand am 07.05.2007 bei Nové Masa auf der Strecke Cervená Skala - Brezno in der Slowakei. Mehr darüber unter Slowakei: S parou cez Nizke Tatry - Mit Dampf durch die Niedere Tatra.

 

Die kurz darauf entwickelte Reihe 475.1 stellte in vielerlei Hinsicht eine revolutionäre Konstruktion und eine Abkehr von vielen bisherigen Gepflogenheiten dar. Die neue Lok sollte mit rund 2000 PS Leistung, aber nur 15t Achsdruck auf Haupt- wie auch Nebenstrecken mit leichterem Oberbau im Personen- und Güterverkehr einsetzbaren sein. Steigungsreiche Strecken mit bregrenzter Achslast, aber mit Hauptbahncharakter und schweren Eil- und Güterzügen waren bei den Eisenbahnen in Böhmen und Mähren vielfach anzutreffen.

Die Zweizylinderlok kann eine gewisse Ähnlichkeit mit der amerikanisch - französischen 141R kaum leugnen. So standen auch deren geschweisster Kessel und die Verbrennungskammer der Feuerbüchse Pate für die 475er. Auch die Rohführung zu den Zylinderblöcken ist praktisch identisch mit der Alco-Konstruktion. Ebenso kamen die Kylchap Blasrohre mit Doppelkamin und ein mechanischer Stokker zur Anwendung. Erstmals erhielten auch alle Achsen Rollenlager; bei einigen Lokomotiven wurden diese auch bei den Kuppel- und Antriebsstangen eingebaut.

Šlechticna (Aristokratin) 475.1142 genoss bei ČSD und ČD seit jeher ein Sonderstatus. Als einzige grüne Lok iherer Klasse wurde sie für Sonder- leistungen und Vorführfahrten vorgehalten; aus diesem Grund hatte sie gar ein halbes Jahr in China verbracht. Die Aufnahme entstand mit einem Sonderzug in Lipova Lazne, Oktober 1999.

Den 140 Loks der Reihe 475.1 war ein grosser Erfolg beschieden. Während den Jahrzehnten bis zur Elektrifizierung der Hauptstrecken bildeten sie das Rückgrat des schweren Schnellzugsverkehrs in der gesamten Tschechoslowakei, zusammen mit dreizylindrigen, aber deutlich schwereren und schnelleren 498, welche aber nur auf den entsprechend ausgebauten Hauptstrecken verkehren konnten. In keinem Land Europas war je eine so grosse Stückzahl Lokomotiven der Achfolge 2D1 gleichzeitig eingesetzt worden wie in der Tschechoslowakei. Die vielen topografisch schwierigen Strecken der ČSD erforderten eine grössere Zugkraft, als dies mit Pacifics der Achsfolge 2C1 möglich gewesen wäre.

Die Neuerungen der 475 flossen auch in den Bau von 15 neuen 498.1 ein, eine modifizierte Variante der unmittelbar nach dem Krieg gebauten 498.0. Aber selbst letztere wurden später auch mit Kylchap Blasrohr und Stokker nachgerüstet.

Während der Höhe des Koreakrieges wurden 15 der erfolgreichen 475er an den sozialistischen Bruderstaat Nordkorea geliefert, um dort die herbsten Verluste auszugleichen. Ob vielleicht die eine oder andere im Reich der Kim-Il-Sung's bis heute überlebt hat und noch irgendwo herumgammelt ?

475.1242 war stets ein Sonderfall und für Sonderfahrten und Vorführungen vorgehalten. Sie erhielt als einzige ihrer Baureihe einen grünen Anstrich ähnlich den eleganten 387.0 Pacifics. Selbst die Chinesen hatten sich für die 475 interessiert. Paul Catchpole schreibt in seinem Standardwerk "The Steam Locomotives of Czechoslovakia", dass die 475.1245 gar ein halbes Jahr für Vorführugsfahrten in China weilte. Ob die Chinesen in den fünfziger oder sechtziger Jahren gar den Bau einer 2D1 in Betracht zogen, neben den zu dieser Zeit in grossen Stückzahlen produzierten JF, JS (1D1) und QJ (1E1) ? Möglich zwar, aber vielmehr dürften sie daran interessiert gewesen sein, den tschechischen Konstrukteuren wichtige Details der Škoda - Lokomotive abzugucken, um diese später nachzubauen und in die Konstruktion ihrer eigenen Loks einfliessen zu lassen.

Die letzten für die ČSD konstruierten Dampflokomotiven waren die 464.2 von 1955. Obschon sie praktisch die gleichen Dimensionen und Achsfolge wie die 464.0 aus den dreissiger Jahren hatte, stellten sie eine völlige Neukonstruktion dar. Die bewährtesten Komponenten, wie der 141R - Kessel und die Doppel Kylchap - Blasrohre wurden von den äusserst erfolgreichen 475 und 556 (1E) übernommen und lediglich den kleineren Dimensionen der 464 angepasst. 

Sie sollte schwere Vorortszüge wie die 477 um Prag und Brünn bespannen. Allerdings zeichnete sich bei Ihrem Bau die Traktionsumstellung bereits ab - in den Werkshallen von Soka wurden zu diesem Zeitpunkt bereits die "Bobina" E.499.0 gebaut. 

Interessanterweise wurde noch erwogen, die Produktion der 464.2 nach Polen zu vergeben, aber dazu kam es dann letztlich doch nicht. So blieb es bei den zwei Exemplaren.

Dass die leichte 464 durchaus in der Lage war, ansehnliche Schnell- und Eilzüge zu befördern, zeigte die 464.202 an der Plandampfveranstaltung vom 3.-5.Mai 1996 auf der Strecke Karlovy Vary - Chommutov eindrücklich. Das Bild zeigt sie mit einem Personenzug bei der Ausfahrt von Vojkovice nad Ohri am 5.Mai 1996.

In den darauffolgenden Jahren wurden nur noch die schweren Güterzugloks der Reihe 556 in Serie gebaut.

Eine recht unerwartete Ehre fiel 464.201 zu, als sie 1961 Kruschev's Sonderzug zu einem historischen Treffen mit J.F. Kennedy in Wien bis zur österreichischen Grenze befördern durfte. Harald Navé, einer der engagiertesten Dampflokfotografen jener Zeit, dokumentierte das Ereignis im Grenzbahnhof Marchegg, zu sehen in seinem Klassiker 'Dampflokomotiven in Mittel- und Osteuropa'. Das Ereignis dürfte wohl das letzte mal in der Geschichte überhaupt gewesen sein, dass ein Staatsoberhaupt per Eisenbahn, notabene per Dampfzug an eine internationale Konferenz gereist ist.

Mit 464.202 und 475.1142 durchs Altvatergebirge: Klicken Sie auf die Thumnails, um zur Galerie zu gelangen !

 

Bei Spanov im Böhmerwald dampft die 475.111 des Iron Monument Club Plzen Richtung Klatovy. Mehr darüber unter Šumavské zima s párou - Mit Dampf durch den Böhmerwald. 09.02.2008

 

(c) Markus Fischer, Zürich